Auslieferung aus Deutschland an Drittstaaten

Auslieferung zur Strafverfolgung oder Strafvollstreckung

Auslieferung aufgrund völkerrechtlicher Abkommen

In einer zunehmend internationalen Welt macht auch das Strafrecht nicht an Grenzen halt. 

 

Von einer Auslieferung spricht man, wenn ein Drittstaat die Bundesrepublik Deutschland ersucht, eine Person zur Strafverfolgung oder Strafvollstreckung zu übergeben. Jedoch darf eine Person nur in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorgaben ausgeliefert werden. Diese finden sich im Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG). Darüber hinaus können zwischenstaatliche völkerrechtliche Auslieferungsabkommen zum Tragen kommen.

 

Wie läuft ein Auslieferungsverfahren ab?

Jedes Auslieferungsverfahren beginnt mit einem sogenannten Auslieferungsersuchen, d.h. dem Verlangen eines Drittstaates, eine in Deutschland befindliche Person zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Vollstreckung einer bereits verhängten Strafe zu übergeben. Das Bundesamt für Justiz prüft dieses Auslieferungsersuchen gemäß § 74 IRG zunächst "im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt und mit anderen Bundesministerien, deren Geschäftsbereich von der Rechtshilfe betroffen wird". Sodann bestehen zwei Möglichkeiten:

 

Im sogenannten vereinfachten Auslieferungsverfahren wird das Ersuchen nicht noch einmal gerichtlich überprüft. Hierzu ist allerdings das ausdrückliche Einverständnis des Betroffenen nötig.

 

Stimmt der Betroffene nicht zu, obliegt die Entscheidung über die Auslieferung einem Oberlandesgericht. Dieses prüft, ob

  • das vorgeworfene Verhalten auch nach deutschem Recht eine Straftat darstellt (§ 3 IRG),
  • gewährleistet ist, dass der Betroffene nur wegen der Straftaten verfolgt wird, wegen derer die Auslieferung bewilligt wird (§ 11 IRG),
  • ein sogenanntes Auslieferungshindernis vorliegt (dazu sogleich).

Eine Besonderheit des Auslieferungsverfahrens ist es, dass gegen eine einmal ergangene Entscheidung des Oberlandesgerichts kein direktes Rechtsmittel zur Verfügung steht. Es kann lediglich unter Umständen eine Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht eingelegt werden, die jedoch insbesondere eine erhebliche Verfahrensdauer mit sich bringt. Es ist daher besonders wichtig, bei einer drohenden Auslieferung von Beginn an alle Verteidigungsmöglichkeiten auszuschöpfen. 

 

Welche Auslieferungshindernisse gibt es?

Die Auslieferungshindernisse, die eine Auslieferung im Einzelfall verbieten, sind im Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen festgelegt und ergeben sich darüber hinaus aus den verfassungsrechtlichen Grundsätzen der Bundesrepublik Deutschland.

 

Nicht zulässig ist eine Auslieferung unter anderem dann, wenn

  • es um eine Bagatelltat geht, die nach deutschem Recht nicht mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bedroht ist oder sinngemäß bedroht wäre, 
  • die zu vollstreckende Haft erwartungsgemäß nur noch weniger als 4 Monate beträgt,
  • dem Betroffenen eine politische oder militärische Straftat vorgeworfen wird,
  • zu erwarten ist, dass der Ausgelieferte wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit oder seiner politischen Anschauungen verfolgt oder bestraft werden würde,
  • dem Betroffenen die Todesstrafe droht,
  • die Tat bereits verjährt ist oder der Betroffene schon einmal für die selbe Tat bestraft wurde.

Eine Auslieferung kann jedoch im Einzelfall aus vielen weiteren Gründen unzulässig sein. In der Praxis werden Auslieferungsersuchen aufgrund von Abwesenheitsurteilen und zu erwartende menschenunwürdige Haftbedingungen immer wieder relevant.

 

Keine Auslieferung bei Abwesenheitsurteilen und menschenunwürdigen Haftbedingungen

Ergeht ein Strafurteil in Abwesenheit des Angeklagten und ohne dass ihm die Möglichkeit gegeben wurde, sich rechtliches Gehör zu  verschaffen, darf keine Auslieferung zur Vollstreckung der Strafe aus diesem Urteil erfolgen. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn sich der Angeklagte zur Zeit des Verfahrens bereits im Ausland aufhält.  Solche Urteile sind auch in vielen EU-Mitgliedsstaaten nicht unüblich.

 

Gleiches gilt, wenn die Zustände in den Gefängnissen im Zielland einer Auslieferung nicht den Mindestanforderungen für Hygiene, den verfügbaren Platz oder an die Gesundheitsversorgung entsprechen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs darf beispielsweise nicht ausgeliefert werden, wenn die konkrete Haftanstalt, in der der Betroffene untergebracht werden würde, weniger als 3 Quadratmeter Platz für den einzelnen Häftling bietet. Relevant ist auch der Zugang zu Waschgelegenheiten und Toiletten, die übrigens nicht in die Berechnung des Platzangebots hineingerechnet werden dürfen. Die Haftbedingungen muss das entscheidende Gericht umfassend prüfen und dazu alle ihnen mögliche Ermittlungen von Amts wegen durchführen.

 

Ebenso ist ein Auslieferungsersuchen abzulehnen, wenn im ersuchenden Staat nicht ein Mindestmaß an Rechtsstaatlichkeit gewährleistet erscheint. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn die Justiz nicht unabhängig ist oder Diskriminierung stattfindet.

 

Wann wird Auslieferungshaft angeordnet?

Wann gegen den Betroffenen Auslieferungshaft verhängt werden kann, bestimmt § 15 IRG. Soweit die Auslieferung nicht von vornherein unzulässig erscheint, kann nach Eingang des Auslieferungersuchens Haft angeordnet werden, wenn

 

1. die Gefahr besteht, dass der Betroffene sich dem Auslieferungsverfahren oder der Durchführung der Auslieferung entziehen werde (Fluchtgefahr), oder

 

2. auf Grund bestimmter Tatsachen der dringende Verdacht begründet ist, dass der Betroffene die Ermittlung der Wahrheit in einem ausländischen Verfahren oder im Auslieferungsverfahren erschweren werde (Verdunkelungsgefahr).

 

Was ist ein Europäischer Haftbefehl?

Handelt es sich bei dem ersuchenden Staat um einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union, spricht man bei der Auslieferung eines Betroffenen von einer Überstellung. Dieser liegt dann ein Europäischer Haftbefehl zugrunde.

 

Grundsätzlich wird hier nach dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung von einer Zulässigkeit des Ersuchens ausgegangen. Stimmt der Betroffene einer vereinfachten Auslieferung nicht zu, wird aber auch bei einem Europäischen Haftbefehl geprüft, ob ein Auslieferungshindernis vorliegt.

 

Strafverteidigung bei drohender Auslieferung

Als Betroffener im Auslieferungsverfahren haben Sie nach § 40 Abs. 1 IRG zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens das Recht, einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Sobald Auslieferungshaft angeordnet wird, liegt ein Fall der sogenannten notwendigen Rechtsbeistandsschaft vor, d.h. Ihnen wird durch das Gericht ein Rechtsanwalt beigeordnet. Dies entspricht der Pflichtverteidigung im Strafprozess. Auch wenn Sie nicht verhaftet werden, haben Sie dann das Recht auf Beiordnung eines Rechtsbeistands, wenn die rechtliche Bewertung im Einzelfall schwierig oder der Sachverhalt sehr umfangreich ist, wenn Sie Ihre Rechte im Einzelfall nicht selbst wahrnehmen können oder wenn Sie noch keine 18 Jahre alt sind.

 

Um alle Verteidigungsmöglichkeiten im Auslieferungsverfahren wahrnehmen zu können, ist die möglichst frühzeitige Vertretung durch einen auf das Strafrecht spezialisierten und mit dem Auslieferungsrecht vertrauten Rechtsanwalt dringend zu empfehlen. Unsere Rechtsanwälte übernehmen Ihre Vertretung im Auslieferungsverfahren im Großraum Heidelberg-Mannheim sowie bundesweit. Kontaktieren Sie uns jederzeit per Email über unser Kontaktformular oder vereinbaren Sie telefonisch einen Besprechungstermin.

 

Becker Behlau | Rechtsanwälte Fachanwälte

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